Usbekistan

Endlich wieder auf dem Velo! Ein immer wieder überraschendes Usbekistan habe ich ein bisschen kennen gelernt und bin jetzt in der atemberaubenden Stadt Samarkand. Dies war einst ein wichtiger Umschlagplatz auf der Seidenstrasse und man kann noch heute das Feeling von 1001 Nacht spüren, am Tag auf dem Basar oder in der Nacht in den sehr belebten aber unbeleuchteten und sehr staubigen Strassen. Dabei hat es nicht vielversprechend angefangen, ich habe mich wenig mit dem Land auseinander gesetzt. Ich wusste lediglich, dass ich nach Samarkand will und ich kannte den Wechselkurs.

Als ich vom Iran zurück in der Schweiz war, hatte ich die Nase erst einmal voll. Normalerweise sieht bei mir am nächsten Tag alles schon wieder ganz anders aus, wenn ich einmal eine Niederlage einzustecken habe. Dieses Mal braucht es fünf Tage, bis ich wieder ans Velofahren denken kann. Zusammen mit Barbara entschliesse ich mich dann allerdings, es doch noch einmal zu versuchen, zumal die Flüge im Moment recht günstig sind. Sobald Barbaras Ferien beginnen, fliegen wir gemeinsam nach Berlin um die Visa zu beantragen und wir verbringen eine super Woche da. Zum Glück hat mein Onkel Osi in Berlin ein Wohnung. Diese dürfen wir benützen, so fällt das Ganze finanziell etwas milder aus. Ich bin gut vorbereitet und so haben wir schon am ersten Morgen alle Visa beantragt und bezahlt, es bleibt also viel Zeit für uns übrig. Wie ich später höre, gibts wieder einmal keine Visa für China, wenn man sie in Zentralasien beantragt. Glücklicherweise habe ich da schon in der Schweiz alles geregelt...

Der Abschied ist wieder nicht leicht, aber etwas weniger schlimm als beim ersten Mal.

Während der Zeit in der Schweiz konnten wir nämlich eine Wohnung mieten und sobald ich zurück bin, können wir einziehen. Darauf freue ich mich sehr! Doch zuerst will ich noch einmal ein paar spannende Wochen in fernen Ländern erleben!

Mein Flug geht also via Riga und mitten in der Nacht komme ich in Tashkent an. Doch einen Vorgeschmack der Bevölkerung kriege ich schon im Flieger. Im Flugpreis ist kein Essen inbegriffen und kaum ist der Vogel in der Luft, packen alle Fremdarbeiter, welche ihre Ferien in der Heimat verbringen, Bier, Eier, Brot und vieles mehr aus. Auch ich komme nicht zu kurz, mein Nachbar dachte wohl, dass der Flug 24 Stunden dauern würde und hat viel zu viel mitgebracht. Kaum sind wir gelandet, stürmen alle in Richtung Ausgang, wir sind noch voll in der Abbremsphase. Bald sehe auch den Grund dafür: die Einreise-Formalitäten und Medizinchecks dauern ewig und ich kann gut verstehen, dass es nach monatelanger Trennung auf eine Stunde sehr wohl ankommt. Als auch ich endlich meine Sachen aus- und wieder eingepackt habe, halten mir eine Schweizerin und eine Finnin die Geldwechsler, Taxifahrer und Hotelvermittler etwas vom Leib und ich kann mein Velo zusammenbauen. Die Transportschachtel für das Velo ist recht begehrt und so muss ich mich nicht um deren Entsorgung kümmern.

Usbekistan: ein Land, mit welchem ich mich wie gesagt bis jetzt nicht so auseinander gesetzt habe, ich hatte ja vor, nur ein paar Tage zu bleiben. Das war ein Fehler, es gibt nämlich schon ein paar Eigenheiten hier. So steht zum Beispiel bei den Reisehinweisen der US-Botschaft, dass hier die grösste Gefahr von der korrupten Polizei ausgehe. Auch muss man sich innerhalb von 3 Tagen auf der Fremdenpolizei anmelden und die genaue Route bewilligen lassen, sonst kann einem die Ausreise verweigert werden. Wie ich gehört habe, kann man aber zwischen 10 Dollar Schmiergeld oder 200 Dollar Busse plus Papierkrieg wählen. Auch das mit dem Geld abheben (es gibt offenbar nur 3 oder 4 Bankomaten im Land) oder mit Karte bezahlen ist so eine Sache. Man dürfte auch nur auf Banken Geld wechseln, auf der Strasse bekommt man aber für 1$ anstatt nur 1500 ganze 1850 Som. Will man 50 $ wechseln, sollte man übrigens eine grosse Tasche mitbringen. Die grösste Banknote ist 1000 Som, was etwa 75 Rappen entspricht. Ich bekomme aber immer nur 500er Noten. Auf meine Frage, wie man denn hier ein Auto kaufe, antwortet die Frau: mit Dollar natürlich! Die Stadt Tashkent, Hauptstadt mit 2 Millionen Einwohnern, ist sehr ruhig und extrem sauber. Es sind wiederum die kleinen Dinge, welche mich begeistern, so muss ein Tram-Fahrer bei jeder Weiche aussteigen, eine lange Eisenstange nehmen und sich den richtigen Weg mit aller Kraft selber einstellen.

Dann gehts aufs Velo. Bei Temperaturen um 46° komme ich ziemlich auf die Welt. Das  ist nicht etwa dann gemessen, wenn die Sonne voll draufhält, dann steigt die Anzeige bei 68° aus, wie ich bemerkt habe. Zudem werde ich am ersten Tag vier Mal von der Polizei kontrolliert und habe 2 Platten. Es erweist sich ein weiteres Mal als Vorteil, Schweizer zu sein. Bis die Polizisten begreifen, wo unser kleines Land liegt, sind wir schon viel zu sehr "Freunde" und so musste ich zumindest bis jetzt noch kein Schmiergeld bezahlen. Ein Polizist hat recht lange gejammert, wie wenig er verdiene, sackte während dieser paar Minuten von drei andern Leuten irgenwelche Nötli ein, mich liess er aber ungeschoren davon kommen. Draussen bestaunten etwa 7 weitere Beamte mein Velo und einer fragt, ob ich ein Foto mache. Da greifen die andern aber energisch ein und sagen, dass es absolut verboten sei, Polizisten zu fotografieren. Es gibt eine ganze Liste von verbotenen Sujets, ich hätte es eigentlich gewusst. Am ersten Tag war die Versorgung unterwegs noch kein Problem. An jedem Schattenplatz werden kalte Getränke und Früchte verkauft, auch Restaurants gibt es viele. Nicht wenige davon haben einen Rasensprenkler auf dem Asphalt-Vorplatz und wenn Damen mit dem Sonnenschirm kommen, klappen sie diesen zu, um auch etwas erfrischt zu werden. Ich lasse mich immer klitschnass spritzen, so wird die Sonne etwas erträglicher für die nächsten paar Kilometer. Die gute Versorgung hat wiederum den Nachteil, dass es recht schwierig ist, einen Campingplatz zu finden und so gehe ich in ein günstiges Hotel. Hier in der Nähe gibt es einen grossen Salzsee und als ich unter der Dusche stehe, meine ich erst, dass sie hier Salzwasser in den Leitungen haben, dabei war das nur das getrocknete Salz auf meinem Körper, welches ich geschmeckt habe!

Am nächsten Tag geht es erstmals ähnlich weiter, es ist aber weniger heiss. Ich kaufe also nur 3 Liter Wasser und fahre voll in eine menschenverlassene Leere hinein. Als ich einen weiteren Platten geflickt habe, stängelet es mich so auf, dass ich nach jedem gefahrenen Kilometer eine Pause brauche. Das Dorf auf der Karte will und will einfach nicht kommen und ich überlege mir ernsthaft, ob ich einen Lastwagen aufhalten soll. Doch dann kommt die Rettung. Das Restaurant erreiche ich etwa um vier und bevor ich absteigen kann, kommt einer angerannt und weist mich ein. Schön kalt ist es drinnen, ich bekomme sofort eiskaltes Cola und Wasser, dann Bortsch und Brot, später kommen Spaghetti Bolognese und zum Schluss gibts Wassermelonen. Als ich bezahlen will, winkt man ab, es sei schon alles bezahlt und jetzt würden sie mich in ein Hotel bringen, wo ich gratis übernachten dürfe. Offenbar habe ich so schlimm ausgesehen wie ich mich gefühlt habe! Als ich nämlich kurz zur Toilette will, versagen meine Muskeln den Dienst und ich muss mich kurz am Tisch abstützen. Ich will das überspielen und gehe dann doch in Richtung Tür, ich bemerke aber, dass ich bockbeiniger als ein Cowboy nach einem  agelangen Ritt marschiere. Die Gastfreundschaft ist aber noch nicht zu Ende: Das Hotel ist das bis jetzt nach dem Posthotel in Zernez zweitschönste auf meinem Reisli und ich gehe im Restaurant essen. Da spare ich nicht gerade, bestelle das volle Programm. Kaum fertig gegessen, tauchen der Wirt des vorherigen Restaurants mit den andern Typen auf, wir blättern ein bisschen im Dictionnaire und als ich bezahlen will, ist schon wieder alles bezahlt, inklusive Morgenessen. Bevor ich eine Chance habe, mich zu revanchieren, verabschiedet sich die Bande und geht auch was essen.

Landschaftlich ist es auf dieser Autobahn nicht wahnsinnig spektakulär. Erst waren endlose Felder mit irgendwelchen Anbaupflanzen, dann nur noch so bodennahes Dornengestrüpp. Am nächsten Tag würde ich es nur knapp nach Samarkand schaffen und spät ankommen. Also gehe ich es locker an, gehe in einem Fluss mit den einheimischen Männern baden (als ich ein paar Frage, ob man im Fluss schwimmen könne, kommen sie gleich mit und springen mit mir hinein...) und am Abend campiere ich in einem wenig attraktiven Wäldchen neben der Autobahn. Zum Glück habe ich Oropax dabei. Ich erreiche dann schon am Vormittag Samarkand, die Perle Zentralasiens. Ich finde kein Hotel, es findet mich. Der Chef steht an der Strasse und holt mich rein, zeigt mir alles und auf meine Frage, wieviel ich bezahlen will Antworte ich "6 Dollar". Das war ihm dann doch zu wenig, ich weiss aber, dass vergleichbare Hotels hier ab 20$ zu haben sind und wir einigen uns auf 15. Perfekt liegt es, mit allem drum und dran. Ich mache mich gleich auf den Weg und treffe Firdaw, einen jungen Fremdenführer, er will mir von 11h bis 18h für fast kein Geld die Stadt zeigen. Eigentlich wollte ich so unwichtiges Zeugs wie Veloschläuche etc organisieren, ich kann aber nicht widerstehen und werde es nicht bereuen. Ein Mausoleum liegt 20Km ausserhalb, er organisiert eine Mitfahrgelegenheit, welche mich für uns beide 3 Franken kostet. Die Fahrt ist allerdings hart am Limit. Leider ist der Tachometer defekt, er zuckte zwischen 160 und 200 km/h, so schnell sind wir aber nicht. Aber meines Erachtens viel zu schnell für die Verhältnisse. Da einer im Auto Zeitung liest und Firdaw mir locker ins Ohr schreit, scheint alles in Ordnung zu sein. Verstehen tue ich allerdings nichts, die Musik von Modern Talking "Cherry cherry Lady" ist zu laut. Heute habe ich nicht weniger als 5 Velofahrer getroffen, 2 Pärchen und eine Einzelmaske, ein Schweizer Paar ist gerade auf dem Weg in den Pamir, also nur einen Tag vor mir. Man hört viele schöne und interessante Erlebnisse von ihnen, aber auch anderes. Ich habe mit meinem Passverlust offenbar weder Geld noch Zeit verloren im Vergleich zu vielen Anderen!

Jetzt freue ich mich sehr auf die hoffentlich etwas kühleren und grossartigen Berge, man hört nur Gutes von da!