Laos
Die Laoten sind Chaoten. Das stimmt zwar nicht, reimt sich aber. Doch bevor ich in deren Land kann, muss (oder darf?) ich noch auf der Ladefläche eines Pickup-Busses schlafen und werde an der Grenze schamlos beschissen. Dass mein Grossvater gestorben ist, drückt meine Stimmung, manchmal mehr, manchmal weniger. Den ganzen Tag Trübsal blasen tue ich nicht.
Die Baustelle, auf welcher ich so gut gehalten werde, muss ich viel zu früh verlassen. Am Ende habe ich zwei Tage gewonnen, nicht verloren! Am letzten Abend gibts von den Praktikanten die Einladung zu einem gediegenen Essen, ich werde noch 3 Mal mehr eingeladen, esse aber nur noch zwei Mal. Ich kann einfach nicht mehr. Von der Baustelle, welche mich von ihrer schieren Grösse so beeindruckt hat, habe ich bis jetzt nur den Anfang gesehen. Ich bin nicht in der Lage, an einem Tag da durchzufahren und gegen Abend warten die Maschienenführer bereits mit laufendem Motor, bis sie wieder an die Arbeit können und so die Strasse für weitere Tage absperren müssen. Der Fahrer eines Lieferwagens nimmt mich mit, bezahlt schon wieder ein schönes Nachtessen und lädt mich zu sich nach Hause zum Übernachten ein. Praktischerweise wohnt er nur wenige Minuten von der Busstation entfernt, von wo aus ich mein Vorankommen wieder etwas beschleunigen werde. Seine Partnerin ist gelinde gesagt nicht erfreut über meine Anwesenheit und so muss ich auf der Ladefläche des Lastwagens schlafen. Zu den Klängen bizarrer Karaoke-Musik schlafe ich ein, denke für mich noch, dass ich bei einer solchen Partnerin auch möglichst oft Besuch hätte...
Beim Geldwechsel an der Laotischen Grenze bewahrt mich nur der Umstand, dass ich nicht zu viel Geld wechsle, vor einem grösseren Geldverlust. Ich lasse alle Vorsichtsmassnahmen fallen und werde nach Strich und Faden beschissen. Als ich es am Abend merke, rege ich mich für eine Sekunde über die Wechsler auf, aber ich sehe schnell ein, dass ich der Idiot bin. Mindestens haben sie mich nur doppelt und nicht dreifach beschissen, das wäre nämlich auch gegangen (vielleicht kennen sie hier diesen Trick noch nicht).
Schön wars in China, und interessant. Es gibt noch gewaltige Probleme zu lösen, man ist aber daran, das zu tun. Ich habe dieses Land keineswegs vollständig beschrieben, im Gegenteil. Ein Eselkarren ist für mich nun mal interessanter zu beschreiben als ein VW Golf und durch diesen Filter laufen meine Berichte zugegebenermassen. Vom modernen China und den Metropolen habe ich leider nichts gesehen.
Das erste was mir in Laos auffällt, sind die einfachen Behausungen und vor allem die Kinder. Es gibt in diesen Dörfern wieder Kinder und erst jetzt fällt mir auf, dass ich in China nur wenig getroffen habe, was mit politischen Gegebenheiten, der Ein-Kind-Politik, zu erklären ist. In Laos kommen sie wieder von allen Seiten angerannt, winken, rennen und schreien hinter mir her durchs ganze Dorf. Die Eltern kommen mit den Kleinsten an den Strassenrand und winken und immer lächeln alle! Ich klatsche wieder ihre kleinen Hände ab, dann sind sie damit beschäftigt und kommen weniger auf die Idee, auf meinen Anhänger zu springen und mitzufahen. Die Schulen sind nicht sehr dicht gestreut, dafür aber gross. Wenn gerade Schulschluss ist, befinde ich mich plötzlich in einem Meer von jungen Velofahrern, die Mädchen mit ihren langen, geraden und pechschwarzen Haaren fahren mit Sonnenschirm und gestrecktem Rücken auf pinken Velos, die Jungs scheren sich kaum um solche Dinge und sind mit der Verfolgung von Hühnern oder „Falang“-Velofahrern beschäftigt. Ihr Schulweg ist oft sehr lang, er kann bis zu 20 Kilometern betragen. Es ist weiterhin recht hügelig, zwei Mal muss ich an einem Tag über 1700 Höhenmeter überwinden. Nicht mehr an einem Stück wie in China, aber es reiht sich Hügel an Hügel. Und dabei habe ich bei den Höhenmetern nur die wichtigsten Aufstiege gezählt! Zudem habe ich den Eindruck, dass man sich sein Getränk auch einfach über den Kopf giessen könnte, es spritzt sowieso aus allen Poren, kaum hat man es getrunken. Der ganze Körper ist aufgedunsen, ich kann mit den glitschigen Händen kaum die Gänge wechseln, muss Toilettenpapier um den Schaltgriff wickeln um genügend Griff zu haben. Am angenehmsten ist es, wenn ich in ein Gewitter fahre, doch diese dauern nur kurz und danach ist es um so schwüler. Dafür ist das Grün des Regenwaldes unglaublich satt und die Wolken und Nebel verleihen der Szene etwas Geheimnisvolles. Die Leute in den nördlichen Dörfern leben wirklich noch sehr einfach, viele versuchen, irgendwelche Sachen am Strassenrand zu verkaufen. Das Sortiment reicht von Coca Cola (eine Dose ist so teuer wie ein Mittagessen im Restaurant) über Schlangen in Plastiksäcken bis zu irgendwelchen Nagetieren, natürlich lebendig. Ich kann sie nicht genau zuordnen, sie sehen aus wie grosse Ratten mit kurzem Schwanz und flachem Kopf. Am Besten scheinen sie grilliert zu schmecken, versucht habe ich bis jetzt – so viel ich weiss – nicht, wie auch die Schlangen nicht. Alles muss ich mir nicht antun. Sowieso weiss ich gewisse Gefahren hier nicht so recht einzuschätzen. Ich würde gerne mit den Einheimischen ins Wasser springen, aber es gibt eine Parasitenart, welche sich durch die Haut frisst und man bemerkt diese ungebetenen Gäste erst, wenn sie die halbe Innendekoration aufgefressen haben. Ich habe gehört, dass 90% der Gewässer betroffen sein sollen. Stimmt das? Ich weiss es nicht. Und am Anfang sehe ich mich bei jeder Mücke schon malariageplagt auf dem Krankenbett. Mit der Zeit werde ich gelassener und in Luang Prabang besuche ich einen Wasserfall, wo vor den Touristen das Paradies gewesen sein muss. Hier getraue ich mich den halben Tag zu planschen und Tarzan zu spielen.
Auch in den Städten ist es sehr relaxt und friedlich. Es gibt feinen, starken Kaffee und frisches Brot, leider erst so ab 10 Uhr. Vorher muss man sowieso nicht zu viel verlangen, sonst hört man mit einem breiten lächeln oft: Sorry Sir, impossible! Viele Leute sprechen ein bisschen Englisch, obwohl die Analphatenenrate bei Erwachsenen zwischen 30 und 50% liegt. Und englischen Fussball lieben sie. Überall laufen Fussballmatches der Premier-Ligue, oft auf Grossbildschirmen und obwohl mir immer im Detail verraten wird, was jetzt gleich passiert, schauen sie diese Spiele mit grossem Eifer. Immer und immer wieder. Und ich kann eine halbstündige Zusammenfassung des Matches FC Zürich gegen Real geniessen, die Einheimischen kennen „meine“ Mannschaft allerdings weitaus besser als ich! Dieser Match liegt zwar schon einige Tage zurück, einer hat die Sportshow aufgezeichnet und spielt sie mir jetztab.
Die Chinesen bauen auch dieses Land im Schnellzugtempo auf. Es werden Stromleitungen, Kraftwerke, Fabriken, Mobile-Antennen, Strassen und Häuser gebaut, überall ist die Supermacht spürbar vertreten. Und die Zeitungen sind voll von neuen Projekten, welche mit chinesischen Krediten finanziert werden. Trotzdem fällt bei einem Gewitter in der Umgebung, und das ist im Moment jeden Tag mehrmals der Fall, der Strom immer wieder aus. Dann werden Hunderte Kerzen angezündet und wenn der Kellner im Restaurant die unregelmässige Treppe hoch rennt, zählt er laut: 3-1-2-3. Damit ist die Anzahl Stufentritte gemeint, er kennt sie blind. Die Stimmung ist sehr friedlich, man hat sich arrangiert. Oder besser gesagt, man kennt nichts anderes. Noch nicht.
Nun bin ich in Vangvieng, die Stadt zum Entspannen, wie es heisst. In der Kletterszene für die wundervollen, steilen Kalkwände bekannt, kommen viele Touristen aus einem andern Grund her. Wer es nämlich mit dem Entspannen selber nicht so hinkriegt, findet ein vielfältiges Sortiment an Stoffen, welche dem ein bisschen nachhelfen. So gibt es Lokale, wo man Pizza mit Marihuana oder psychoaktiven Pilzen auf der Menukarte findet, härtere Ware ist überall erhältlich. Ich muss mich mit meinem Schnaps ganz hinten in die Streberecke setzten! Und sollte man von der Polizei erwischt werden, regelt man das mit Geld. 500$ sind Verhandlungsbasis, steht zumindest in meinem Reiseführer. Obwohl es gerade Nebensaison ist, gibt es einige, bei welchen die Hälfte der Drogen auch genügend gewesen wäre! Sehr bekannt ist das Tubing: man mietet einen Lastwagenschlauch und lässt sich den Fluss hinunter treiben. Sollte man unterwegs ein leichtes Durstgefühl oder ein Zittern verspühren, ist links und rechts am Ufer für genügend Nachschub gesorgt. Und da soll die Post erst richtig abgehen. Das gehe ich mir natürlich anschauen! Ich brauche dann allerdings keine Drogen, um hier Spass zu haben, es gibt lange Seile, mit welchen man hoch über den Fluss schwingen und sich ins Wasser fallen lassen kann. Und eine Wasserrutschbahn, wo man von relativ hoch ins Wasser fällt. Wenn da Leute geflogen kommen, sieht es ein bisschen aus, wie wenn man ein Huhn zum Fenster hinaus wirft. Die Sicherheitslage dieser Anlagen ist schwierig zu beurteilen und ein Unfall in Laos wäre keine so gute Idee, es gibt praktisch keine medizinische Versorgung. Schon gar nicht für Unfälle. Eine Blinddarm-Entzündung oder ähnliches kann hier für Einheimische schnell das Todesurteil bedeuten, Touristen werden einfach ausgeflogen. Wenn man sich allerdings nicht ganz so idiotisch aufführt, wie es gewisse Damen und Herren vorführen, ist die Überlebenschance auch hier recht gross. Eine weiter Besonderheit ist vor allem bei Verkehrsunfällen, dass unabhängig von der Schuldfrage immer der Ausländer alles zu bezahlen hat.
Nun beginnt langsam der Endspurt, ich melde mich wieder, wenn ich bei Willy bin. Hoffentlich ist er zu Hause, sonst war der ganze Spass für die Katze!