Ankunft in Bangkok

Ich sitze im Flieger, welcher mich zurück in die Heimat bringt und versuche, ein bisschen zu realisieren, was das bedeutet. Auch ganz am Schluss lief alles wie am Schnürchen, obwohl ich mit 70 Kilogramm Gepäck und einer Überschreitung des Visums am Flughafen ankomme. Dass in der Box mit dem Velo noch ein bisschen „Polstermaterial“ ist (Zelt, Vorzelt, Zeltunterlage, Stativ, Souvenirs, Werkzeug, Ersatzteile, Regenschutz, Schlafsack, Schlafmatte, Benzinkocher, etc), macht hier keinen nervös und so zahle ich keinen Franken fürs Übergepäck. Und das Visum wird von einem freundlich lächelnden Fremdenpolizisten sofort kostenlos erweitert, er stellt auch keine Fragen. Sogar einen Fensterplatz auf der „Himalaya-Seite“ bekomme ich. Der Flug führt nämlich entlang der höchsten Berge der Welt. Als ich sie dann sehe, wurmt es mich schon ein ganz kleines bisschen, dass dieser Teil der Reise nicht klappte. Nur ganz wenig…

In Thailand, auf meinem letzten Abschnitt der Reise, erwarte ich keine Probleme mehr, nur die Fahrt in Bangkok ist noch eine Unbekannte in meiner Gleichung. Allerdings habe ich nicht mit den Ladyboys und dem Taifun gerechnet. Ich suche eine Unterkunft, da es mir einfach zu heiss und zu feucht zum Campen ist. Ein Typ organisiert mir eine Bleibe, holt mich später mit dem Töffli ab und bringt mich in ein kleines Restaurant, wo er auch gleich für sich bestellt. Und ziemlich viel Bier trinkt er, ohne zu fragen, auf meine Rechnung. Sonst war das immer umgekehrt. Davor bat er mich aber noch um ein paar Rappen, welche er in den Karaoke-Apparat wirft und endlos schlecht zu singen beginnt, zu einem noch schlechteren Lied. Ich will ins Bett und als wir ankommen, stürmt der Typ auf mein Klo, er hat ziemlich Druck auf der Leitung. Danach legt er sich aufs Bett und schaut TV. Ich studiere ein bisschen meine Landkarten und weiss nicht recht, wie ich mich verhalten soll. Als ich dann die Zähne putze, ist das für ihn nicht etwa ein Zeichen, abzuhauen. Er deckt sich nur ein bisschen mehr zu. Ich verjage ihn möglichtst freundlich, er ist aber nicht mehr so zufrieden mit der Situation. Er ist aber kein Ladyboy, da man seine Geschlechtszugehörigkeit eindeutig erkennen kann, was bei einigen Ladyboys ein geübtes Auge brauchen würde oder oft fast unmöglich ist. Diese thailändische Eigenheit ist ein Rätsel, welches ich nicht so richtig verstehe. Das ist nicht dramatisch, ich akzeptiere es einfach.

An einem anderen Ort muss ich im Zelt übernachten, der Schweiss läuft mir nur so runter. Aber nur, bis der angekündigte Taifun uns erreicht. Während dieser Sturm auf den Philipinen 200 Opfer gefordert hat, ist es bei uns fast windstill, aber es regnet unglaubliche Mengen während fast 48 Stunden. Das einzige, was weit und breit nicht überschwemmt ist, ist meine Strasse und ich kann gut testen, was von meiner Ausrüstung noch wasserfest ist. Das Zelt zum Beispiel ist noch gut in Form! Was man von meinem Schweizer Sackmesser nicht behaupten kann. Die Anzeige mit Höhenmeter, Zeit und vielem weiteren Schnickschnack kann ich nur noch als Wasserwaage verwenden. Von der Landschaft sehe ich leider nicht allzu viel, vor allem Reisfelder und eine ganz neue Art von Kühen dominieren die Szene, später dannn durch den Regen überschwemmte Gebiete. Die weissen Kühe mit ihren grossen Ohren und dem Buckel sind übrigens so wüst, dass sie schon fast cool sind!

Am letzten Tag fahre ich beinahe einen neuen Distanz-Rekord, 181,5 Kilometer. Nur 3 Kilometer fehlen zur weitesten Tagesstrecke im Iran. In Bangkok fahre ich besonders vorsichtig und zwinge mich zu Pausen, da vor ein paar Wochen eine europäische Radlerin nach 10 Monaten Reise nur ein paar Kilometer vor ihrem Ziel tödlich verunglückte. Die grosse Strasse ist zweistöckig und die Ein- und Ausfahrten sind mehrspurig, führen nach oben oder unten, über Rampen wieder zurück in die Gegenrichtung und so weiter. Schon ziemlich viel Verkehr für einen Jungen vom Lande und das alles bei Linksverkehr. Es braucht viele Handzeichen und entschlossenes Handeln, für Unsicherheiten und Fahrfehler ist wenig Platz einkalkuliert bei den örtlichen Verhaltensregeln. Aber der Umstand des vielen Verkehrs hat auch einen grossen Vorteil: ich befinde mich im Feierabend-Verkehr und die Fahrzeuge kommen nur langsam vorwärts. Den Weg finde ich lange gut, aber bei einer kleinen Unsicherheit frage ich die falschen Leute und sofort habe ich die Orientierung komplett verloren. Ein Töff-Taxi führt mich dann in wilder Fahrweise für 1.50 Franken direkt vor Willy‘s Haustüre. Es ist bereits finster und die Bemerkung von Goofy (Engel Christoph) von einst auf einer Skitour kommt mir in den Sinn, als er sagte: „Weisch Chrigu, z‘Problem esch ned, dass mer nümme möge, d'Täg si einfach z‘kurz!“ Aber in dieser Stadt spielt die Tageszeit wegen der Beleuchtung kaum eine Rolle, höchstens der Alkoholpegel gewisser Piloten könnte zum Problem werden.

Willy ist noch nicht von seiner Geschäftsreise nach Hongkong zurück, aber ich werde schon von weitem von der thailändischen Serviertochter des kleinen Restaurants nebenan begrüsst und bekomme ein grosses Bier in die Hand gedrückt.

Ich bin angekommen!

Ein bisschen beginne ich es zu realisieren, doch schon kommt das Taxi mit Willy angebraust. Es gibt zwar noch ein Bierchen, dann müssen wir aber los, sein Chef hat alle Angestellten in eine Disco eingeladen und mich dazu, doch vorher gehen wir essen. Ich werde in eine völlig neue Welt katapultiert. Teures Essen, guter Wein, perfekter Service und Aussicht auf die Wolkenkratzer der Stadt, dann eine unvergessliche Taxifahrt (siehe Film) und die Disco, in welcher nur schon der Eintritt (ohne Getränkebon und pro Person) 250% des Preises für eine einfache Hotelübernachtung beträgt. Die Party ist prächtig und wir tanzen bis in den frühen Morgen. Leider habe ich kein einziges Foto bei der Ankunft gemacht, ich hätte mich dazu zwingen müssen, hatte andere Dinge im Kopf. Und die Bilder in meinem Gedächtnis werde ich kaum je vergessen. Wie oft habe ich mir vorgestellt, wie es dann sein würde, wenn ich ankomme. Und es kam wieder ganz anders, aber sicher nicht schlechter!

In den folgenden Tagen werde ich von Willy, seinem Chef – er heisst Adi - und Anong, dessen Frau, sehr gut gehalten. Ich kann im Büro ein – und ausgehen und bekomme ein Willkommensgeschenk, welches mich aus den Socken haut. Dieses lasse ich vom Fachmann weiter aufwerten, ich werde es weiterschenken! Als symbolische Gegenleistung darf ich einen Reisebericht für das wissenschaftliche Buch, welches in Kürze von der Firma veröffentlicht wird, schreiben. Ich bin nämlich ohne es zu wissen in Tajikistan an in Fachkreisen berühmten Edelsteinminen vorbei gefahren. Ich habe das Vergnügen, zwei solche Steine mit der Lupe zu besichtigen. Einer hat den Wert von über 1 Million Dollar! Ein Spinell dieser Qualität und Grösse mit der Lupe im richten Licht erklärt zu bekommen ist eine besondere Erfahrung, das dürft ihr mir glauben. Der Rubin aus einer anderen Mine ist zwar sehr hochwertig, aber nicht ganz so gross. Es gäbe in Bangkok noch ein richtig grosses Modell aus dieser Rubinmine, dieser Stein liegt aber in einem Safe, zu welchem selbst der Besitzer nicht so ohne weiteres Zugang hat.

Ich verabrede mich mit Axel und später mit meiner Cousine Michelle. Richtig, dieser Axel, welcher ich in Usbekistan und Tajikistan immer wieder getroffen habe, der mit dem Humor! Und Michelle habe ich schon seit zwei Jahren nicht gesehen, man muss offenbar ziemlich weit reisen, um sie zu treffen. Sie geht am nächsten Tag weiter, leider auf eine andere Insel als wir.

Am nächsten Abend nämlich starten Willy und ich das Abenteuer „Trauminsel“, Adi kommt mit seiner Frau und allen (!) Angestellten am nächsten Tag nach. Da es hier mehr Tauchschulen als Touristen gibt, ist es recht günstig, diesen Sport zu schnuppern und ich tauche zum ersten Mal länger als ein paar Sekunden in eine völlig neue Welt ab. Ich fühle mich im Wasser wohl, so lange ich den Boden unter den Füssen sehe, ab diesem Punkt ist aber Schluss mit lustig. Filmszenen, in denen der Geheimagent oder sonst ein Held taucht, kann ich fast nicht gucken und muss meisst etwas unter dem Sofa suchen. Daher bin ich froh, eine erfahrene Tauchlehrerin an meiner Seite zu wissen. In all den schönen Unterwasserfilmen kann man unmöglich zeigen, wie faszinierend diese Welt ist und ich bin so begeistert, dass ich gleich einen Tauchkurs absolviere. Willy hat schon etwas Erfahrung, Adi und seine Frau recht viel mehr. Und so wollen sie an meinem letzten Tag an einen Platz weit draussen fahren, wo es Haie gibt. Der Tauchgang ist für mich sehr aufregend, leider sehe ich aber keinen dieser Räuber. Obwohl sie auch heute hier gewesen wären, wie andere sagen. Beim zweiten Tauchgang an diesem Tag geraten wir allerdings aus Versehen in das Revier eines Titanfisches, welche in Thailand besonders angriffig sein sollen und schon dem einen oder anderen Taucher ein Stück Ohr abgezwackt haben. Mein Buddy (Tauchpartnerin) zückt das Messer und mein Luftverbrauch schnellt durch die Aufregung ordli in die Höhe. Es bleibt aber bei Drohgebärden und ich brauche nicht den Rest des Lebens mit einer Hippie-Frisur die Ohren zu verstecken. Ich könnte mir allerdings auch vorstellen, dass noch ein bisschen Show dabei war.

Am letzten Abend dürfen Willy und ich zwei junge Frauen von Adi‘s Firma ausführen. Obwohl sie Thai sind, waren sie noch nie am Meer und schon gar nicht auf einer Insel. Extra Badekleider haben sie sich gekauft und für den Ausgang machen sie sich besonders hübsch. Ich glaube, sie haben es sehr genossen, einmal in so einer richtigen Falang-Bar zu tanzen.

Dieser Adi ist mit Sicherheit eine der eindrücklichsten Erscheinungen auf meinem Reisli. Ihn und seine Firma zu beschreiben würde aber locker ein eigenes Buch füllen. Ich werde am letzten Tag ofiziell zu einem Botschafter dieser Firma ernannt, das macht mich schon ein bisschen stolz! Obwohl der letzte Satz mit einem Augenzwinkern zu verstehen ist: an dieser Stelle noch einmal ganz recht herzlichen Dank für alles! Ich kenne den Spruch „Danke sagte man, als man das Geld noch nicht kannte“, aber ich glaube, den grösseren Dienst zu erweisen, wenn ich ab und zu in der Schweiz etwas für ihn erledigen kann und er nicht extra herzufliegen braucht.

Die Heimreise ist lang: erst mit dem Boot ab der Insel, dann mit einem Bus 8 Stunden bei miserablen Filmen nach Bangkok, 12 + 2 Stunden Flug mit Aufenthalt in Deutschland, fix und fertig mit dem Auto von Zürich nach Hause, direkt in die neue Wohnung! Ich freue mich trotz des traumhaften Abschlusses ziemlich auf zu Hause. Das nächste Mal fahre ich vielleicht nicht mehr ganz so weit, dann ist der Heimflug nämlich auch kürzer!

Gerne werde ich in einiger Zeit ein Nachwort zu meinem Velotüürli schreiben, für den Moment reichts aber.