Nach der Pause in Rumänien mache ich mich am frühen Morgen auf den Weg über die mehr als 4 Kilometer lange „Brücke der Freundschaft“ nach Bulgarien. Nach all dem Stacheldraht der rumänischen Grenze jagen mich noch 4 Hunde aus dem Land, wie ich später erfahre, habe nicht nur ich mit ihnen ein Problem. Sie stehen auch auf holländische Wadli. Das nun kommende doppelstöckige Teil durfte während vielen Jahren nicht benutzt werden und dementsprechend sieht es auch bis in die Mitte aus. Wohl auf den Zentimeter genau unter dem Bulgarien-Schild wird der Asphalt gut, die Lampen sind intakt. Dieses Versprechen können die Bulgaren bis Varna halten. Eine zwar vielbefahrene aber breite Strasse führt über sanfte Hügel dahin. Dass all die Strassenarbeiterinnen – oft weniger als mehr hübsch gemacht – auch irgendwo ihr „Büro“ haben müssen, fällt mir erst am Abend auf. Der kleine Wald, in welchem ich übernachte, ist ihre Hauptzentrale. Nun, ich habe mich mehr in den Wald verdrückt, als die Herren ihre Autos zu fahren bereit wären und so bleiben wir alle ungestört.

Am nächsten Tag erreiche ich Varna. Das Schwarze Meer. Überwältigt und müde setze ich mich hin. Ein grossartiger Moment, ich habe nicht nur wegen der Kälte Hühnerhaut! Streito, der mir über den Weg läuft, frage ich dann, ob er das Hostel kennt, welches ich mir herausgeschrieben habe. Ich solle nach Golden-Beach, es seien nur 17 Kilometer und er komme gleich mit. So fahren wir dahin, er kämpft ein bisschen mit seinem Velo, es ist eigentlich nur noch Schrott, und enden natürlich am FKK-Strand. Da könne ich ungestört zelten, sagt er in gutem Deutsch notabene. Dann trinken wir ein Bier, er haut ab, ich friere wie ein Schlosshund, es regnet. Ich gehe also erst einmal eine Pizza essen, gleich im nächsten Restaurant gönne ich mir noch einen grossen Salat, Spaghetti und ein Dessert (Pfannkuchen mit Schoggi). Danach habe ich wieder warm und vor allem eine neue Idee: Anstatt das teure Schiff zu nehmen und dann viel zu früh in der Osttürkei zu sein, fahre ich viel gescheiter durch die Türkei, beschaffe mir ein paar Visa in Istanbul und spare so Zeit (in Iran) und Geld. Zu früh in der Osttürkei sage ich deshalb, weil ich mein Iran-Visum einteilen muss. Zurück am Strand haben der Chef der FKK-Bar, ein Nachbar und einige Helfer ein Fest, sie haben den Strand gesäubert und trinken ein paar Bier neben dem Güselhaufen, welchen sie angezündet haben. Ich trinke auch eins, lustige Leute sind das. Einer (schon ordli angeheitert) sagt immer: "Boy, you are living my dream. Welcome!" Als ich mein Zelt aufstellen gehe, lassen sie mich in Ruhe, singen zu ihren Jugend-Liedern lieber laut als richtig. Ich darf übrigens trotz FKK-Strand Thermowäsche im Schlafsack tragen. Ich zelte also alleine mitten am teuersten Strand von Bulgarien, volle Sicht aufs Meer. Am nächsten morgen regnet es immer noch. Meine Motivation ist nicht gerade berauschend, ich hoffe, dass das nach der Thermal-Quelle, welche mir Streito gezeigt hat, besser wird. Es ist Sonntag, nur Locals sind da, es ist sehr friedlich und ich bleibe länger als die meisten. Eine heisse Schwefelquelle direkt am Strand, gratis für alle. Super. Danach habe ich schon wieder Hunger, ich verputze schon um 9.30 ein Poulet mit Salat und fettiger Beilage. Als ich mich dann endlich auf den Weg machen will, ich montiere gerade mein Strassenarbeiter-Hemd, wer fährt da wohl mit dem breitesten Lächeln auf mich zu? Richtig, die vier Holländer, welche ich vor Wien getroffen habe. Sofort sind wir uns einig: wir fahren zusammen nach Istanbul. Doch schon nach ein paar Minuten merke ich: diese Jungs und das Mädel fahren ganz anders als ich, zudem haben sie viel weniger Gepäck. Sie können vieles durch zwei oder gar vier teilen und haben nicht noch so Luxus wie Slakeline, extra Schuhe und Laptop dabei. Geradeaus ist es herrlich, ich habe überhaupt kein Problem, das Tempo zu halten, bergauf aber bin ich gefordert. Die Rhodopen zwischen Varna und Istanbul verhindern all zu viele flache Stellen. Aber ein bisschen Sport schadet ja nichts. Und dann die Abfahrten: mit über 60 Km/h halte ich den Suppenschlitz beim lauten Singen weit offen. Dadurch bekomme ich auch Kostproben von den einheimischen Fluginsekten, diese sind geschmacklich aber eher langweilig. Kurz vor der türkischen Grenze müssen wir nochmals übernachten. Der offizielle Besuch kommt bereits 10 Minuten später und obwohl wir recht gut versteckt sind, muss er keine Sekunde nach uns suchen. Wir dürfen bleiben, ich frage mich aber, wie die das hier machen!

Dann kommt die Türkei. Nachdem wir an 5 Kontrollposten unseren Pass zeigen und die Holländer für ihr Visum je um 20€ ärmer werden, ändert sich vieles, nur die Hügel bleiben. Ich bekomme das Visum gratis. Die Schweiz ist auf der Liste nicht aufgeführt. Der Zöllner will mir gleichviel wie den Holländern heuschen, ich bin aber der Meinung, dass Bürger von Ländern, welche nicht auf der Liste sind, gratis in die Türkei können und schlussendlich glaubt er mir. Es ist zu früh für ihn. Die Reaktionen der Leute sind nun nicht mehr nur positiv. Ein Mittelfinger oder unverständliche, eher aggressive Zeichen, sieht man hie und da. Zudem werden die Kinder und Jugendlichen offensiver. Alles wird befingert, nebst „Hello“ können sie jetzt auch „fuck you“. Da ich nicht so gut Englisch kann, lässt mich das kalt. Und die allermeisten Leute sind immer noch sehr freundlich, es sind nur die kleinen Ausnahmen, welche es bis anhin nicht gab. In der Nacht finden wir einen netten Schlafplatz in den weiten Wäldern dieser Hügel. In der Nacht erwache ich weil – wie ich denke – wilde Hunde ums Zelt streichen und heulen. Am Morgen erfahre ich dann, dass es ein Wolfsrudel war, es gäbe hier viele davon und nur diese würden so heulen. Hätte ich das gewusst, wäre ich aus meinem warmen Schlafsack geschlüpft um euch ein Foto zu liefern!

Den Spass, ins Zentrum von Istanbul zu fahren, hätte ich mir ersparen sollen. Etwa 30 Kilometer Autobahn. Man darf zwar mit dem Velo fahren, es ist aber idiotisch. Bis 10 Spuren hat die Strasse, vor allem die zweispurigen Ein- und Ausfahrten sind eine Herausforderung und bedürfen einiger klarer Zeichen unsererseits. In der Stadt fährt mir dann so ein Arsch doch noch in den Anhänger, das war Absicht. Ist aber nichts passiert, habe ihn nicht erwischtJ Dann gehen wir Kebab essen, nette Typen. Wir nehmen zwei, haben nämlich zünftigen Appetit, dazu gibt’s diese wunderbaren Yoghurtgetränke. Die Rechnung ist doppelt so hoch wie erwartet, wir hätten schliesslich auch die doppelte Portion Fleisch erhalten. Da ich nicht bezahle, sage ich nichts dazu, denke mir aber meinen Teil. Ich treffe die Holländer einen Tag später nochmals, wir essen zusammen und gehen aus. Es war super mit ihnen, sie kamen genau im richtigen Moment. Ich bin aber froh, wieder alleine unterwegs zu sein. Es ist ganz ein anderes Fahren in der Gruppe, ich bevorzuge das alleinige Unterwegs sein. Zudem hat mir der Rhythmus dieser Gruppe nicht gepasst. Spät am Morgen los, (zu) schnell fahren, lange Mittagspause und wieder ab wie Raketen. Ich bevorzuge es, eher länger auf dem Velo zu sitzen, dafür für ein Foto zu stoppen und weniger intensiv zu fahren. Aber wie gesagt, es war sehr gut für diese Zeit.

Nun werde ich versuchen, mich in der Türkei ein bisschen besser zu akklimatisieren, Ersatzräder für den Anhänger zu beschaffen (diese sind nun auch kaputt), Visa für Usbekistan und Kirgisien zu organisieren und meinen Beinen mal eine längere Pause zu gönnen. Und natürlich den Freund von meiner Schwester Eva, Özhan, kennen lernen. Dieser wohnt in Istanbul und hat mich bereits angerufen. Wie meine weitere Route in die Osttürkei aussieht, weiss ich noch nicht. Ihr werdet es, wenn ihr den wollt, erfahren.

Bis dann!